Forum: The Crisis of Democracy and the Analyst’s Freedom of Thought / Die Krise der Demokratie und die Denkfreiheit des Analytikers
Freitag, 5. Dezember 2025
Dr. Eran J. Rolnik
Psychoanalysis has long examined the power dynamics between mental structures and the mind’s urges, fantasies, and ideals. Its therapeutic task is often described as the liberation of thought from internal tyrannies such as the super-ego and unconscious fantasy that forms it . Yet psychoanalysis rarely reflects on the external conditions — political, legal, and cultural — that make analytic thinking possible. This paper asks: how much political reality can psychoanalysis bear, and under what conditions can the analyst sustain their capacity to think freely?
Beginning with Freud’s wartime advice to Ferenczi to withdraw his libido from the fatherland and invest it in psychoanalysis, the paper explores the implications of political rupture for the psychoanalytic frame. Using recent developments in Israel as a case study, it argues that in times of democratic crisis, the analyst’s freedom of thought — and by extension, the patient’s capacity to engage with psychic truth — becomes increasingly fragile. The attack on democratic norms is not merely institutional; it undermines the very preconditions for sustained inner work.
The analyst’s task, therefore, is not only to interpret unconscious conflict but also to remain mindful of the broader political forces that shape subjectivity, communication, and the analytic process itself. The paper concludes with a reflection on the concept of a »psychoanalytic worldview” (Weltanschauung), proposing that freedom of thought is not merely a private or intellectual ideal but a shared political condition — one that lies at the porous boundary between psychoanalysis and democracy.
Die Psychoanalyse hat sich seit jeher mit den Machtverhältnissen zwischen psychischen Instanzen und den Trieben, Fantasien und Idealen des Ichs befasst. Ihre therapeutische Aufgabe wird häufig als Befreiung des Denkens von inneren Tyranneien verstanden – etwa dem Über-Ich und den unbewussten Fantasien, die ihn formen. Doch selten reflektiert die Psychoanalyse die äußeren Bedingungen – politische, rechtliche und kulturelle –, die analytisches Denken überhaupt erst ermöglichen. Dieser Vortrag stellt die Frage: Wie viel politische Realität kann die Psychoanalyse ertragen, und unter welchen Bedingungen kann der Analytiker seine Fähigkeit zum freien Denken aufrechterhalten?
Ausgangspunkt ist Freuds Empfehlung an Ferenczi während des Krieges, seine Libido aus dem Vaterland abzuziehen und in die Psychoanalyse zu investieren. Anhand aktueller Entwicklungen in Israel untersucht das Papier die Auswirkungen politischer Erschütterungen auf den psychoanalytischen Rahmen. Es wird argumentiert, dass in Zeiten demokratischer Krisen die Denkfreiheit des Analytikers – und damit auch die Fähigkeit des Patienten, sich mit psychischer Wahrheit auseinanderzusetzen – zunehmend prekär wird. Der Angriff auf demokratische Normen ist nicht nur ein institutioneller, sondern untergräbt die grundlegenden Voraussetzungen für nachhaltige innere Arbeit.
Die Aufgabe des Analytikers besteht daher nicht nur darin, unbewusste Konflikte zu deuten, sondern auch die politischen Kräfte im Blick zu behalten, die Subjektivität, Kommunikation und den analytischen Prozess mitgestalten. Abschließend reflektiert das Papier über den Begriff einer «psychoanalytischen Weltanschauung» und schlägt vor, dass Denkfreiheit nicht nur ein privates oder intellektuelles Ideal darstellt, sondern eine gemeinsame politische Bedingung – eine, die sich an der durchlässigen Grenze zwischen Psychoanalyse und Demokratie verortet.
- jeweils freitags von 20.00 – 21.30 Uhr
- im Freud-Institut Zürich
- vor Ort: unentgeltlich
- Bestellung Videorecording der Vorträge, Zugang verfügbar ab einer Woche nach dem Vortrag: CHF 30.–, CHF 15 .– für FIZ-Mitglieder und Gast-Mitglieder des FIZ
- anerkannt von SGPP und PSY-Verbänden, je 2 Credits
Öffentliche Veranstaltung im Freud-Institut Zürich, Anmeldung erforderlich: anmeldung@freud-institut.ch