Analytische Haltung im Umbruch?

Die analytische Haltung lässt sich nicht als eine gleichbleibende Position einnehmen, es kann um sie nur ein Ringen geben; Psychoanalytiker:innen verwickeln sich im analytischen Prozess mit ihren Patient:innen und entwickeln sich wieder; im Kern geht es um eine Haltung voraussetzungslosen und bedingungslosen Verstehen-Wollens. Freud stellt der Notwendigkeit, in der Analyse ohne Ausnahme alles zu erzählen, als Gegenstück das Zuhören in »gleichschwebender Aufmerksamkeit« gegenüber. Analytiker:innen sollen dem »gebenden Unbewußten des Kranken« das eigene Unbewusste »als empfangendes Organ zuwenden«. Während Freud hier von dem verdrängten Unbewussten ausgeht, gilt heutige psychoanalytische Arbeit auch dem unstrukturierten, nicht-verdrängten Unbewussten, auch dem traumatisch bedingten Aktualen. In Folge sind viele Psychoanalytiker:innen heute nicht vorrangig auf neurotisch strukturierte Patient:innen ausgerichtet, sondern mit meist parallel anzutreffenden Organisationsebenen und Erlebenszuständen ihrer Analysand:innen befasst.

Was bedeutet die jeweilige Auffassung des Unbewussten oder des Noch-nicht-Unbewussten für die Konzeptualisierung psychoanalytischer Transformationsprozesse? Was bedeutet sie für die analytische Haltung? Wie stellen Psychoanalytiker:innen sich auf nicht-objektale Zustände ihrer Patient:innen ein? Wie kann der Körper in den analytischen Prozess einbezogen werden? Welche Herausforderungen ergeben sich in der Behandlung von trans-Patient:innen? Auf diese und viele weitere Fragen gehen Elisabeth Imhorst (Kommentar: Daniel Barth), Sebastian Leikert (Kommentar: Riccardo Lombardi), Howard Levine (Kommentar: Bernd Nissen) und Uta Zeitzschel (Kommentar: Uta Karacaoglan) in ihren Beiträgen ein.

Im Forum stellt Patrick Miller eine klinische Bagatelle vor, die von Avner Bergstein kommentiert wird. Zudem eröffnen wir zwei ganz unterschiedliche aktuelle Diskussionen: eine theoretische Auseinandersetzung mit Bions Traumfunktion α und Postbionischen Ansätzen mit Kurzbeiträgen von Nicola Abel-Hirsch, Wolfgang Mertens und Bernd Nissen sowie eine klinische Vignette des relationalen Psychoanalytikers Donnel B. Stern, die Jan Abram, Helmut Hinz, Christine Kirchhoff und Lynne Zeavin kritisch kommentieren.

In Was fällt denn Ihnen ein – zu Sigmund Freud »kritzelt« Matthias Oppermann zum Unbehagen in der Kultur und Georges-Artur Goldschmidt spürt der Erotik der Sprache nach.